Weniger ist manchmal mehr - Fitness-Training für MMA

Engagiertes MMA Training und Wettkämpfe erfordern eine sehr hohe körperliche Leistungsfähigkeit. Grundvoraussetzung für ein erfolgversprechendes, intensives Training ist eine sehr gute körperliche Fitness gepaart mit einer soliden mentalen Stärke. Mangelhafte Trainingsplanung und Vorbereitung rächt sich mit unnötigen Schmerzen, Verletzungen und entsprechenden Zwangspausen vom Trainings- und Wettkampfgeschehen.

 

Arbeit mit Pro MMA-Kämpfer Patrick "Bad Ass" Simon
Arbeit mit Pro MMA-Kämpfer Patrick "Bad Ass" Simon

 

Klassisches gerätegestütztes, Muskeln isoliert ansprechendes, Fitnesstraining erschafft keine optimalen Grundlagen für den Fighter-Body. Erfreulich das sich in den letzten Jahren immer mehr Trainer und Athleten neuen Trainingsformen geöffnet haben.

Mittlerweile ist es jedem möglich aus einem riesigen Angebot an verschiedenen Trainingstools  und Trainingsphilosophien sich oder anderen das „ultimative“ Workout zu konstruieren. Zahlreiche Bücher und Videos zum Thema liefern Interessierten vielfältigen theoretischen Input. Gerade die Vielzahl von verschiedenen Trainingsmöglichkeiten und das kopieren von Profi-Trainingskonzepten kann aber auch zu Unsicherheit führen.

Hochintensives Gruppentraining bzw –dynamik und der Mix aus verschieden Tools und Konzepten hat Vor- und Nachteile, es kann motivieren, topfit machen, es kann aber auch überfordern. MMA zieht im Allgemeinen die schon von Natur aus leistungsbereiten und leidensfähigen Charaktere an. Gepaart mit einem „harten“ Coach, einem ebensolchen Trainingssaufbau und mangelnder Berücksichtigung regenerativer Maßnahmen nicht die optimale Kombination für eine langfristig gesunde Sportlerlaufbahn.

Dauerhafte Fehler im Training, eine Missverhältnis zwischen Belastung - Belastbarkeit und Regeneration bleiben unter Umständen in jungen Jahren noch ohne spürbare Folgen, können sich aber in späteren Jahren durch langwierige, schmerzhafte, orthopädischen Problemen unangenehm bemerkbar machen.

Gerade Menschen Ü30, die längere Zeit keinen Sport mehr engagiert betrieben haben und das MMA-Training zu schnell und intensiv angehen, sich von Jüngeren und Wettkämpfern mitreißen lassen, geraten häufig in Überlastungssituationen. In Kombination mit einem mangelhaft ausgebildeten Trainer sind dann Verletzungen schon fast vorprogrammiert. Das Motto "Nur die Harten kommen in den Garten" lautet dann leider "Nur die Harten kommen in das Wartezimmer vom Orthopäden“. Längere Trainingspausen und im schlimmsten Fall die dauerhafte Beendigung des Kampfsporttrainings führt zum Frust bei allen Beteiligten: Sportler und Gyminhaber.        

 

Grund genug sich Gedanken zu machen, wie es besser geht. Meine Empfehlungen für ein erfolgreiches, leistungsorientiertes MMA-(Fitness-)training in einem Gym:

 

Ausführlicher Basis-Check und Verlaufskontrollen

Auch jüngere Sporteinsteiger profitieren von einem guten Eingangscheck der körperlichen Fähigkeiten. Empfehlenswert wäre beispielsweise der von Gray Cook entwickelte FMS (Functional Movement Screen) in Kombination mit einem klassischen Fitnesstest (Herzkreislauf, Körperfett etc.) Gerade im Kampfsportbereich können mit diesen Ergebnissen die einzelnen Sportler individueller, sicherer und effektiver trainiert werden. Regelmäßige Verlaufskontrollen und Einzelgespräche (Coach-Athlet) geben ein wichtiges Feedback zur Trainingsgestaltung und schützen vor Übertraining.

Es macht keinen Sinn hochintensiv Ausdauer, Kraft und Explosivität zu trainieren, wenn der Sportler versteckte Bewegungseinschränkungen, größeres Übergewicht, muskuläre Dysbalancen und allgemeine Probleme bei der Umsetzung anspruchsvollerer Bewegungsaufgaben hat.

 

Ganzheitlich orientiertes Trainerteam

Im Idealfall finden sich im Trainerteam spezialisierte Ansprechpartner für die einzelnen Bereiche (allgemeine Athletik/Ausdauer, Kampf, Ernährung, Regeneration/Reha) Auch im normalen, kleineren Gym kann mit einer gewissen Ganzheitlichkeit gearbeitet werden. „Weichere“ unterstützende Trainingsinhalte wie z.B. Yoga, diverse Gymnastikkonzepte wie z.B. Tacfit, Ginastica Natural, moderne Nahrungsergänzungen und Entspannungsformen sollten nicht nur Profis vorbehalten bleiben. Die Kooperation des Gym mit ausgewählten externen Spezialisten (z.B. Physiotherapie, Leistungsdiagnostik) kann hierbei natürlich Sinn machen.

 

Individuelles Training

Gruppendynamik und eine gute leistungsorientierte Stimmung im Gym sind wichtige Motivationsfaktoren. Unsichere Beginner (physisch und psychisch) können aber bei einer zu geringen individuellen Betreuung und  einem zu intensiven Kontakt mit sehr gut trainierten Athleten auch Schaden erleiden. Optimal sind Anfänger- und Fortgeschrittenengruppen und Coaches, die bei erkennbaren, deutlichen Defiziten personaltrainingsähnliche Einzel- oder Kleingruppen Einheiten einplanen.

 

Technikschulung

Das Angebot an  Trainingsgeräten ist riesig. Viele Tools wie Kettlebells, Schlingentrainer, Bulgarian Bags machen Sinn, vieles ist aber auch nicht unbedingt nötig bzw. hat den gleichen trainingstechnischen Hintergrund. Diverse Spitzenathleten wie Fedor Emelianenko entwickelten sich äußerst erfolgreich mit alten, einfachen Equipment. Viele Coaches, Kämpfer und Sportler wollen möglichst alle nur denkbaren Tools besitzen und im Training nutzen. Grundvoraussetzung ist aber hierbei, dass man das Gerät technisch einwandfrei beherrscht. Schlechte Technik in Kombination mit hoher Intensität (Wiederholungszahl, Gewicht, Übung) führt auf Dauer zur Trainingspause. Gerade Übungen aus dem Gewichtheben und Turnen erfordern erfahrene Coaches und zeitlich entspanntes Üben.

 

 

Fazit:

Gerade Kampfsportler benötigen einen möglichst individuellen Aufbau in den einzelnen Bereichen des Trainings. Zu oft werden Anfänger mit anspruchsvollen workouts überfordert, da Ihnen die körperliche Basis fehlt. Übertraining ist keine Seltenheit! Viele Athleten wären in Ihrer Entwicklung weiter, wenn sie dem Bereich Regeneration mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Es wäre begrüßenswert, wenn in der Zukunft die interdisziplinäre Zusammenarbeit: Trainer Kampf, Trainer Ausdauer/Kraft, Ernährungsberater/Physiotherapeut verstärkt werden würde.

 

 

(Veröffentlicht in Groundandpound 5/2013)